Am 1. Mai 1945, nur wenige Tage nach dem Einmarsch der Amerikaner in Eisleben, nahm der Kindergarten der St. Gertrud-Gemeinde seine Arbeit auf. Dem engagierten Wirken des damaligen Pfarrers, Dechant Franz Wiemer, ist es zu verdanken, dass in dem großen Backsteingebäude am Nikolaikirchpaltz ein Ort für die Betreuung von Kindern entstand.
Eigentlich hoffte Dechnat Wiemer, dass der amerikanische Stadtkommendant die Wiedereröffnung der katholischen Volksschule veranlassen würde. Der gab aber zu verstehen, dass die Amerikaner nicht lange bleiben werden und dann die Russen kämen. Diese werden keine katholische Schule dulden; einen Kindergarten schon eher. Zur Eröffnung des Kindergartens war neben andere Honorationen auch der amerikanische Stadtkommandant dabei. er wurde von einem fünfjährigen Knaben aus einer katholischen Großfamilie mit drei auswendig gelernten Sätzen auf englisch begrüßt. Der Junge von damals, der nun die Achtzig überschritten hat, lebt heute wieder in unserer Pfarrgemeinde.
Es ist Bertram Gast.
In den Räumlichkeiten dieses Hauses, das bis zum Verbot durch die Nazis 1939 als katholische Schule diente, waren zeitweise bis zu 200 Kinder untergebracht. Aus pädagogischer Sicht heute unvorstellbar. Aber es ging anfänglich gar nicht primär um Erziehungskonzepte, sondern vielmehr darum, den Jüngsten etwas zu bieten, das die Wirren der Nachkriegszeit für die Kinder erträglicher machte.
"Schicken sie doch ihr Kind in unseren Kidergarten, da bekommt es täglich eine warme Suppe und kann spielen" - das war der Rat, den Dechant Wiemer so mancher Flüchtligs- und Vertriebenenfamilie gab, die in Eisleben, zum Teil in Notquartieren, eine neue Bleibe gefunden hatten.
Bis Ende der Sechziger Jahre wurde der Kindergarten von den Schönstätter Marienschwestern betreut und geleitet. Den Kleinen zu helfen, ihre kindliche Persönlichkeit auf der Grundlage des christlichen Menschenbildes zu entfalten, dieser Grundsatz gilt für einen konfessionellen Kindergarten damals wie heute. Gleichwohl galt immer die Offenheit auch für Nichtgläubige und Kinder anderer Konfessionen und heute auch für Kinder andere Religionen und Kulturen.
Die katholische Pfarrgemeinde hat sich mit der Trägerschaft eine große Aufgabe gestellt, die sie nun schon 75 Jahre gut meistert. Zu DDR-Zeiten wurden konfessionelle Kindereinrichtungen zwar geduldet, passten aber nicht ins offizielle sozialistische Erziehungsprogramm. Heute sind freie Träger in unserer Gesellschaft nicht mehr wegzudenken und auch diese Kindertageseinrichtung gilt als zuverlässiger Partner bei der Betreuung der jüngsten Einwohner unserer Stadt. Die Trägerschaft war und ist nicht immer leicht . "Gerade deshalb ist die Gemeinde stolz auf ihre Kita," versicherte Kirchenvorstandsmitglied Frank Wohlmann. Die Verantwortlichen werden ihr Möglichstes tun, dass noch weitere Jubiläen begangen werden können. Derzeit laufen Planungen für umfangreiche Bau- und Sanierungsmaßnahmen.
An eine große Jubiläumsfeier war in diesen Tagen nicht zu denken. Einschränkungen wegen des Covid19-Viruses und die Notbetreuung prägen derzeit das Bild.
Respekt und Dank gilt für die Leistungen in dieser aktuellen Phase dem pädagogischen Personal und den Mitgliedern des Kirchenvorstandes, aber auch den Eltern und Kindern, die unseren Kindergarten in diesen schwierigen Zeiten die Treue halten!
Ein dankbarer Blick zurück gilt auch denen, die in den 75 Jahren diese Kindereinrichtung begleitet haben.
Eisleben am 01. Mai 2020
Norbert Lakomy.