Mehr als ein Datum

Am 09. November denken vermutlich alle, die etwas älter als 35 Jahre sind, an jene Pressekonferenz mit dem Versprecher von Günther Schabowski: „ …unverzüglich… das gilt ab sofort…“. 
Die Grenzübergansstellen füllten sich in Windeseile. Die deutsche Grenze war ab diesem Zeitpunkt offen. Ein freudiges Ereignis im November 1989.

Vor 107 Jahre wurde am 09. November die erste deutsche Republik ausgerufen. Auch das war für unsere Geschichte, für unsere Demokratie ein herausragendes Ereignis für das wir dankbar sein dürfen.

Der 09. November ist allerdings auch ein Datum, das zur Mahnung und zum Gedenken ruft.  Die Reichspogromnacht 1938. 
Synagogen brannten, Geschäfte und Häuser jüdischer Mitbürger wurden zerstört, die Menschen gequält und gedemütigt.                                       
Was dann bis 1945 an Verbrechen und Grausamkeiten gegen Juden und Andersdenkende begangen wurde, ist unvorstellbar. 

An der Fassade der St. Andreaskirche in Eisleben befindet sich seit Jahren eine Bronzetafel zum Gedenken an die jüdischen Mitbürger, die in unserer Stadt gelebt und gelitten hatten. 
Alljährlich findet an diesem Datum ein ökumenischer Gottesdienst statt, so auch in diesem Jahr. 

Vor Jahren dachte ich noch, wir blicken auf ein schlimmes Ereignis aus vergangenen Jahren zurück. Mit Schrecken stelle ich fest, dass Antisemitismus, Hetze und Menschenverachtung gegenwärtiger denn je sind. 
Der Anschlag auf die Synagoge hier in Halle vor sechs Jahren führte es uns vor Augen und ist nur ein Beispiel von vielen.

Niemand darf mit den Achseln zucken, wenn wir auch heute fast täglich Hetzte und Gewalt erleben. 
Wenn Stolper- besser: die Gedenksteine aus dem Straßenpflaster gerissen werden. Was ist da los?
Erinnern bedeutet doch, aus dem Gestern die richtigen Schlüsse für heute und morgen zu ziehen. Das ist offenbar nicht überall gelungen.

Auf de Gedenktafel ist u.a. zulesen „Christus spricht: Was ihr einem von meinen geringsten Brüdern getan habt, das habt ihr mir getan.“ (Mt 25, 40) 

Für unser mitmenschliches Handeln und den fairen und solidarischen Umgang miteinander wäre das eine gute Orientierung. 
Wann fangen wir an ? 
Schabowski würde sagen, unverzüglich, das gilt ab sofort.

Norbert Lakomy

 

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